Kennet ihr folgende Situation? Ihr müsst neue Arbeitsaufgaben übernehmen, da ein Mitarbeiter länger krank ist oder aus dem Unternehmen ausgeschieden ist. Ihr fragt einen Arbeitskollegen nach bestimmten Abläufen. Dieser antwortet: „Ich weiß nicht, wie ich das am besten erklären soll.“ Leider sind weder Anleitungen noch Notizen vorhanden, die euch weiterhelfen. Womöglich befindet sich dahinter wertvolles Erfahrungswissen, dass sich nur schwer verschriftlichen lässt.
Doch wie kann dieses gesichert werden? Erfahrt mehr darüber, wie Unternehmen einen Wissensverlust vermeiden können.
Wissenverlust im demographischen Wandel
Aktuell sind in Deutschland 45,3 Millionen Menschen erwerbstätig (Quelle: Statistisches Bundesamt, Stand: Februar 2022). Jedoch wird die Zahl im Laufe der nächsten Jahre drastisch sinken, da die geburtenstarken Jahrgänge zunehmend in Rente gehen.
Viele Unternehmen berichten heute von Wissensverlust. Zu den Ursachen zählen beispielsweise kurzlebige Projekte oder die hohe Fluktuation von jungen Mitarbeitern, die sehr flexibel ihre Jobs wechseln.
Leider vergessen viele an dieser Stelle, dass das alte Wissen von unschätzbarem Wert ist. Denn viele der benötigten Informationen und Erfahrungen stehen oft nirgendwo geschrieben oder fliegen maximal in Form von unstrukturierten Notizen umher. Dabei bieten sie einen der größten Vorteile, die ein Unternehmen aufbringen kann: einen Wettbewerbsvorteil.
Altes Wissen macht oftmals bis zu 60 % eines Unternehmens aus. Je mehr „ältere“ Mitarbeiter gehen, desto höher wird der Prozentsatz. Der demografische Wandel sorgt jedoch in vielen Unternehmen dafür, dass dieses wertvolle, alte Wissen im Nirgendwo verschwindet und versickert.
Laut einer größeren Kyocera-Studie gaben 38 Prozent von 1.600 Büroangestellten im Bereich KMU an, dass das komplette Wissen verloren gehen würde, wenn sie ihr Unternehmen ohne eine Übergabe verlassen würden. Ein Teil kritisierte außerdem, dass der Wissensaustausch in ihrer Firma nur ineffizient organisiert ist.
Aus diesen Gründen ist es entscheidend, das Know-how bisheriger Mitarbeiter für die Nachwelt zu sichern und immer auf dem neuesten Stand zu halten. Doch wie kann das gelingen?
Informationstransfer hängt von der Art des Wissens ab
Wissen lässt sich in zwei Teilbereiche aufschlüsseln: Der eine ist das explizite und der andere das implizite Wissen. Das explizite Wissen lässt sich oft einfach in schriftliche Formate umwandeln. Kenntnisse können einfach per Notiz, Nachricht, Dokumentationen oder Anleitungen weitergegeben werden.
Beim impliziten Wissen wird es deutlich schwieriger, denn dies ist an die jeweiligen Erfahrungen des Menschen geknüpft. Es beinhaltet subjektive Lernprozesse, auf die wir täglich automatisch zurückgreifen. Dazu können sehr kreative Handlungswege oder Verhaltensweisen zählen, die wir nicht bewusst wahrnehmen.
Ein Beispiel: Eine Person, die einen Führerschein absolvieren möchte, eignet sich im Theorieteil vor allem explizites Wissen an. Denn dieses kann in Lehrbüchern festgehalten werden. Erst im Praxisteil erwirbt der Fahrschüler implizites Wissen, in dem dieser das Fahren auf der Straße mit dem eigenen Körper erlernt. Die Aufgabe des Fahrlehrers ist es in dem Fall, seinen impliziten Wissensschatz bestmöglich auf den Fahrschüler zu übertragen.
Hürde bei der Weitergabe des implizierten Wissens
Bei der Weitergabe von Erfahrungswissen fallen oft relevante Informationen unter den Tisch. Das liegt daran, dass vielen Menschen nicht bewusst ist, welch großen Wissensschatz sie mitbringen. Werden sie danach gefragt, gelingt es nicht immer, alle notwendigen Details wiederzugeben.
Es entsteht folgende große Herausforderung: Implizites Wissen muss in explizites umgewandelt werden.
Häufig gelingt dies am besten durch persönliche Face-to-Face-Begegnungen. Anhand von Erklärungen, Beobachtungen und konkreten Beispielen erhält der Lernende einen Einblick in die Welt des Wissensträgers. Idealerweise wendet der Beobachtende das Wissen direkt an. Durch diese Methode kann dieser das gesprochene Wort mit der Situation verknüpfen und sich eigenständig Erfahrungswissen aneignen.
Die Möglichkeiten Wissen zu sichern
Es gibt verschiedene Herangehensweisen, Wissen zu sichern. Verschafft euch hier einen Überblick über beliebte und verlässliche Methoden in Unternehmen:
- Workshops: Anhand moderierter Diskussionen und Kreativtechniken beteiligt sich die jeweilige Arbeitsgruppe aktiv und kann gemeinsam Wissen aufbauen.
- Mentoren-Prinzip: Ein erfahrener, ggf. älterer Angestellter, gibt sein Wissen an einen jüngeren Mitarbeiter weiter.
- After Action Review: Hierbei handelt es sich um einen kurzen Austausch von Projektbeteiligten direkt nach einem bestimmten Ereignis. Durch den Austausch können sie zusammen Erfahrungen aufbauen, um gemeinsame Ziele das nächste Mal effizienter zu erreichen.
- Generationstandem: Ein erfahrener und ein jüngerer Kollege tauschen Wissen aus. Somit findet ein gegenseitiger Wissenstransfer statt und jeder profitiert vom anderen.
- On-Boarding: Neue Mitarbeiter werden in das Unternehmen, unter anderem durch die Unterstützung der Personalabteilung, integriert und lernen systematisch ihr neues Arbeitsumfeld kennen.
- Mikrolernen: In sehr kleinen Schulungen gibt ein erfahrener Angestellte dessen Wissen an andere Kollegen weiter.
- Interviews: Konkrete Fragen und genaues Nachhaken können sehr hilfreich sein, um sich das Wissen des Gegenübers anzueignen.
- Lessons Learned: Die Methode fokussiert sich darauf, jegliche Erfahrungen aus Projekten – inklusive Erfolgserlebnissen und Fehlern – zusammenzutragen und zu dokumentieren.
Wissenssicherung bei Abwesenheit des Wissenden
Wenn eine persönliche Weitergabe des Wissens nicht erfolgen kann, da zum Beispiel noch kein Nachfolger gefunden ist, setzen einige Firmen auf dritte Personen, die Informationen dokumentieren. Externe Berater sparen zwar Zeit, kosten aber auch dementsprechend. Eine wirtschaftlichere Lösung kann sein, langfristig in die Ausbildung interner Prozessbegleiter zu investieren. Hierbei schulen externe Berater einen ausgewählten Mitarbeiter so weit, dass dieser Kollegen bei der Arbeit begleitet und eigenständig Wissen dokumentiert und sichert.
Weitere Formen der Wissenssicherung können zum Beispiel Wissensbäume, einfache Mindmaps oder Wissenslandkarten sein, die Mitarbeiter zu den Quellen der Informationen führen. Wichtig ist hier: Der Wissensschatz sollte an einem zentralen und digitalen Ort im Unternehmen hinterlegt werden, damit alle Projektbeteiligten einen schnellen Zugriff erhalten.
Noch bevor die größeren Pensionierungswellen anstehen, sollten sich Unternehmen bereits jetzt um die Wissenssicherung Gedanken machen. Denn diese benötigt in der Regel viele persönliche Gespräche und vor allem auch: Zeit.
Nur mit einem ausgeklügelten Wissensmanagement gelingt es, das Know-how der Mitarbeiter für zukünftige Generationen zu sichern.
Wollt auch ihr mehr Wissen? Benötigt ihr Unterstützung rund um das Wissensmanagement in eurem Unternehmen? Dann kontaktiert uns.